Freitag, 10. Juli 2015

GBT Wanderwegprojekt Tag 1

Nach einer unruhigen Nacht - ich bin, wie es scheint, doch ein bisschen nervös - stehe ich um 7 Uhr auf, rasiere mich (zum letzten mal für die kommenden sieben Tage), dusche, esse ein bisschen was und warte dann auf Vera für die Schlüsselrückgabe. Sie kommt wie versprochen um 8:20 Uhr. Ein Küsschen da, ein Küsschen da und schon marschiere ich los zum GBT-Büro. Ich bin gespannt, wen ich treffen werde. Ausser Yulia kenne ich noch niemanden. Kurz vor 9 Uhr treffe ich ein. Wo ist das Büro? Wahrscheinlich im Innenhof. Auf dem Gehsteig entdecke ich einen mit Kreide gemalten Wegweiser.
Eine enge Treppe führt in einen kleinen Raum hinunter, wo bereits einige Teilnehmer versammelt sind. Überall liegt in Plastiksäcke verpacktes Material. Dazwischen Schaufeln, Spitzhacken, Sägen und Baumscheren. Anna Belova vom GBT-Büro begrüsst mich. Ich hatte bereits eine Anzahlung von 50 USD gemacht und nun wird noch der Restbetrag von 2700 RUB fällig. Anna ist sehr froh, dass ich alles in 100 Rubel-Scheinen bezahle. "Вы спасли нас!" - Sie haben uns gerettet, meint sie. Bis jetzt höre ich nur Russisch, wenn auch zum Teil mit Akzent. Da ist z.B. Andreas, ein deutschstämmiger Russe, der vor 22 Jahren nach Deutschland übersiedelt ist. Und Nelly aus Kasachstan, aufgewachsen in Deutschland. Nur zwei können wenig oder kein Russisch, aber das macht nichts. Es sind genügend Leute da, die übersetzen können.

Ein junger, schlanker Mann stell sich vor. "Ich bin Roman, euer Brigadier auf diesem Projekt. Wir bilden jetzt eine Materialtransport Kette um diese Plastiksäcke, die Zelte, die Werkzeuge und unsere Rucksäcke nach oben zu transportieren wo wir es in die zwei kleinen Busse verladen mit denen wir nach Listvjanka fahren."



Vor der Abfahrt machen wir ein erstes Gruppen-Foto.
Wir das sind Yulia aus Odessa, Roman aus Angarsk, Anna aus Irkutsk, Andrej & Anja aus Moskau, Andreas aus Biberach, Nelly aus Dresden, Alesja aus Orenburg, Tomer aus London, Siv aus Oslo, Nina aus Novosibirsk, Aleksandr aus Moskau und ich.




WC
Erstes Zeltlager
Nicht weit von Listvjanka schlagen wir unser erstes Zeltlager auf. Es ist eine kleine Lichtung an einem Bach, der uns mit frischem, kaltem Trinkwasser versorgt. 50 Meter vom Zeltplatz entfernt gräbt Andreas ein Loch: das WC. 10 Meter neben der Feuerstelle ein zweites Loch für Kompost. Währenddessen stelle ich unser Zelt auf. Andreas und ich wohnen im gleichen Zelt. Es ist sehr heiß. Kein kühlender Wind. Wir schützen uns vor der Sonne, indem wir ein großes Sonnensegel aufstellen. Dann gibt Roman das Kommando: "За дровами!" - Brennholz suchen für unsere дежурные (Diensthabende). Jeden Tag sind zwei von uns im Dienst. Er beginnt nach dem Frühstück und beinhaltet das Kochen des Mittag- und Abendessens, die Bewachung des Lagers und am nächsten Morgen die Zubereitung des Frühstücks. Den Anfang machen Yulia und Tomer. Sie bleiben im Lager während wir nach Listvjanka wandern. Einige von uns baden kurz im sehr kalten Baikalsee. Danach besuchen wir den Markt. Andrej und seine Frau Anja kaufen heißen Omul. Er schmeckt fantastisch! Ich habe noch nie so leckeren Fisch gegessen.

Wir kehren zurück ins Lager, wo unser Brigadier Roma den korrekten Umgang mit Werkzeug zeigt und Informationen zum Projekt gibt. Unweit des Zeltplatzes beginnen wir damit, den Wanderweg zu verbreitern. An einer sumpfigen Stelle wächst sehr viel Farn. Mit Spitzhacke und Schaufel verbreitern wir den Wanderweg auf 60 bis 90 cm. Nach ein bis zwei Jahren wird man dies wiederum tun müssen. Auf dem Rückweg ins Lager sammeln wir unterwegs Brennholz zum Kochen und für das Lagerfeuer.


Vom offenen Feuer
schmeckt es am besten
Zum Abendessen genießen wir frischen Salat und leckeren Borsch. Gut gemacht Yulia und Tomer!

Wie heisst mein Gegenüber
hinter dem Tuch?
Nach dem Essen schlagen Anja und Roman ein Spiel vor. Sie halten ein Tuch gespannt, sodass es eine Wand bildet. Eine Hälfte der Teilnehmer setzt sich links davon, die andere Hälfte rechts davon hin. Von jeder Gruppe setzt sich jemand ganz leise dicht an das Tuch. Dieses fällt auf 1,2,3 und ich muss so schnell wie möglich den Namen meines Gegenübers nennen. Bin ich schneller wechselt die andere Person zu unserem Team.

Eine weitere Zeremonie, die jeden Abend stattfinden wird ist die Wahl des "Mensch des Tages". An diesem ersten Abend wir Tomer ausgewählt. Er kommt aus London, ist zum ersten Mal in Russland ohne ein Wort zu verstehen und ist zu Hause wohl eher hinter dem Computer anzutreffen als draussen. Nun soll er plötzlich unfiltriertes, rohes Wasser aus dem Bach trinken, Feuer machen und Abendessen kochen! Er hat diese neue Herausforderung gut gemeistert - mit Hilfe von Yulia, die ihm klar machte, wo es lang geht. Er geniesst seine Wahl zum "Mensch des Tages" und sagt sein erstes, russisches Wort: Dobry den (guten Tag). Roman, der neben ihm steht flüstert ihm zu: "Du hast doch noch ein Wort gelertn, Spasibo (danke)!" "Das kommt morgen!" erwidert Tomer ohne die Mine zu verziehen und löst damit allgemeines Gelächter aus.
In dieser lustigen Gesellschaft bin ich mit 53 der älteste. Jedoch ist der Altersunterschied nicht sehr groß. Andrej ist 50, Anja 48, dann folgen Siv und Andreas mit 44 und 43. Etwa die Hälfte ist über 40.
Für Anja und Roman eine ganz neue Erfahrung, denn normalerweise haben sie mit Studenten zwischen 20 und 30 zu tun. Für dieses Projekt hatten sich 14 Personen angemeldet. Zusammen mit dem Brigardier, der Übersetzerin und dem Helfer des Brigardiers wären wir 17 Leute gewesen. Drei Teilnehmer haben kurz vor dem Projekt sich abgemeldet und der Helfer ist buchstäblich in letzter Minute abgesprungen. Anja hat sich bereit erklärt, die Aufgaben des Helfers zu übernehmen. Am ersten Tag macht sie Inventar aller Lebensmittel und erstellt die Speisekarte für die ganze Woche. Sie hat es super gemacht, ganz großes Dankeschön, Anja!

Anja (links) & Roman (rechts) machen
Inventar und Speisekarte
















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