Mittwoch, 8. Juli 2015

Transsib Tag 4

In Novosibirks steigen Raja und Sascha, meine neuen Gefährten, ein. Sie stammen aus Sibirien, leben jetzt in Perm und sind unterwegs nach Vladivostok zu ihren Verwandten. Es sind sehr nette Leute, die mich mit Essen verwöhnen. Wenn es Zeit ist für ein Mal, deckt Raja den Tisch mit einem hübschen, kleinen Tischtuch. Dann zaubert sie Tomaten und Gurken - natürlich aus dem eigenen Garten - sowie Salz, Wurst, Käse, Brot und Süssigkeiten hervor. Die Einladung abzulehnen wäre eine Beleidigung. Meine Vorräte werden knapp. Ich steuere meine verbleibenden Babybel Käslein bei.
Sascha verstehe ich leider kaum, da er sehr leise spricht. Wir plaudern viel miteinander, so viel, dass ich mich nicht mehr an die Einzelheiten erinnere.

So vergeht die Zeit wie im Flug. Wir nähern uns meinem Ziel Irkutsk und es wird langsam Zeit, seine sieben Sachen zusammen zu packen. Bislan, mein neuer Freund aus Grozny, kommt zu mir mit einem 50 Rubel-Schein. Er schreibt eine Widmung darauf: "Zur Erinnerung von Bislan an Ruedi" und das Datum. Ich finde das eine lustige Idee und hole auch einen 50 Rubel-Schein hervor, worauf Raja meint: "Nein, nein, du musst ihm eine Schweizer Note geben." Das hat was, aber ich habe keine dabei, nur Münz. Ich nehme einen Fünfliber (5 Franken-Stück) aus dem Portemonnaie mit der Bemerkung, dass ich nichts darauf schreiben kann und schreibe meine Widmung dann doch auf einen 50 Rubel-Schein. Den Fünfliber will ich einfach zeigen, da hier noch niemand Schweizergeld gesehen hat. Bislan interpretiert das wohl etwas anders und behält ihn für sich als Geschenk. Na, auch gut, denke ich, hoffentlich fragt er nicht nach dem Wert. Kaum gedacht kommt schon die Frage. Es ist mir etwas peinlich, soll ich es sagen? Ich sage es ihm: 325 Rubel. Es entgeht mir nicht, dass Raja nun ein bisschen neidisch ist. Sie hat immer wieder versucht, mir meinen Titan-Becher als Erinnerung abzuschwatzen. Da ich den aber dringend brauche für ein einwöchiges Wanderweg-Projekt am Baikalsee will ich ihn nicht hergeben. Bislan rettet mich indem er fragt: "Ist dieser Becher ein Geschenk von jemandem?" Ich begreife und antworte: "Ja, von meinem besten Freund." Darauf Bislan: "Dann darfst du ihn nicht verschenken. Geschenke darf man nicht verschenken!" Da ich nichts dabei habe, was ich entbehren könnte, schenke ich Raja zwei Tafeln Schweizer Schokolade, natürlich mit Widmung. Dann tauschen wir noch die Adressen aus und ich bekomme eine Einladung nach Perm, ich soll sie und Sascha unbedingt besuchen kommen. Natürlich erhalte ich auch ein Erinnerungs-Geschenk: eine Tube Handcrème "Бархатные руки" (Samtige Hände). Dann verteile ich noch die Schokoladenstängel, die mir meine Mutter mitgegeben hat. Das in dünne Scheiben geschnittene, getrocknete Steinofenbrot findet bei den Tschetschenen dankbare Abnehmer: "Сухарики к чаю".

Am Bahnhof von Irkutsk will ich gar nicht so recht aussteigen. Es hat sich in den vier Tagen seit Moskau eine fröhliche Gemeinschaft gebildet und das Leben im Zug gefällt mir. In unserem Wagen Nr. 13 hatten wir auch Glück mit der Provodniza und dem Provodnik ihrem Mann. Sehr nette Leute und sie haben den Wagen immer sehr sauber gehalten. Jeden Tag sind nicht nur die Toiletten, sondern der ganze Wagen geputzt und feucht aufgewischt worden.


Zum Abschied gibt es herzliche Umarmungen, Glückwünsche und Erneuerungen der bereits ausgesprochenen Einladungen. So endet ein lang gehegter Wunsch: eine Fahrt mit der Transsibirischen Eisenbahn.

Im Bahnhofsgebäude werde ich bereits von Vera erwartet mit einer kleinen Tafel "Tamara's Homestay". 

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